Bildung für die Allgemeinheit – Vom Leseverein zur Stadtbücherei
Ungeachtet der zunehmenden Digitalisierung des Alltags und der verstärkt angebotenen E-Books und digitalen Medien besitzt das gedruckte Buch bei der Bevölkerung weiterhin seinen festen Platz. War bis Mitte des 19. Jahrhunderts das Lesen auch bei Erwachsenen noch keine Selbstverständlichkeit, hat das Medium Buch in Pfaffenhofen durch eine Initiative aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts längst seinen Siegeszug angetreten.
Bestrebungen zur Volksbildung im frühen 19. Jahrhundert
Schon seit 1821 bestand in Pfaffenhofen ein Leseverein, der der Bevölkerung Bücher zur Verfügung stellte mit dem Anliegen, „wissenschaftliche Ausbildung, litterarische Unterhaltung und Erweckung feinerer Gefühle“ zu fördern. Mit einer eigenen Bibliothek ausgestattet, richteten sich die Mitglieder des Vereins auf eigene Kosten im Jahr 1824 einen Raum im zweiten Stock der ehemaligen, nunmehr zum Schulhaus mit Bürgersaal umgebauten Engelkapelle ein. Insbesondere in den beiden folgenden Jahrzehnten organisierte der Leseverein, seit 1835 im Erdgeschoss des Mesnerhauses untergebracht, Leseabende und bot die Gelegenheit zum Gesprächsaustausch über die vereinseigenen Buchbestände.
Gesellenverein und Pfarrei sorgen für belehrende Bücher
Nachdem die Aktivitäten des Vereins immer wieder zum Erliegen kamen, übernahm insbe-sondere der 1858 gegründete katholische Gesellenverein mit einer eigenen Bibliothek und guten, belehrenden und informativen Büchern die Aufgabe des Lesevereins.
Erste Bestrebungen zur Gründung einer katholischen Bücherei im Jahr 1908 durch den damaligen Stadtpfarrer Augustin Mayer führten zwar zur Anschaffung einer kleinen Bibliothek, jedoch noch nicht zur Bildung einer Ortsgruppe des damaligen „katholischen Preßvereins“. Diese konnte erst im Jahr 1919 unter Stadtpfarrer Dr. Ludwig Kohnle verwirklicht werden, womit die Pfarrbücherei geboren war.
Durch die Nationalsozialisten wurde die Bücherei jedoch 1941 verboten. Die vier Jahre zuvor gegründete „Volksbücherei“ sollte als Gegenpol durch eine Buchauswahl im Sinne des NS-Regimes die Bevölkerung mit deutschnationalem Gedankengut vertraut machen.
Auf dem Weg zur Stadtbücherei moderner Prägung
Nach dem Krieg startete die Stadt zunächst nur zaghafte Versuche zur Gründung einer Stadt-bücherei, da andere Herausforderungen Vorrang besaßen. Erst mit der Bereitstellung neuer Räume im Rathaus und der feierlichen Eröffnung der Stadtbücherei am 13. Januar 1962 ging es wieder aufwärts. Insbesondere der damalige Leiter, Realschullehrer Gerhard Hellmann, sorgte für einen regen Betrieb und stark zunehmende Ausleihen von Büchern.
Wegen des erhöhten Raumbedarfs der Stadtverwaltung im Rathaus wurde die Bücherei im Oktober 1971 in den renovierten Stadtturm am Platzl verlegt. Wenige Jahre später erfolgte die entscheidende Weichenstellung, die Stadt und katholische Stadtpfarrei gemeinsam trafen: Im Herbst 1976 verfügten sie im Rahmen eines „Büchereivertrags“ die Zusammenlegung von Stadt- und Pfarrbibliothek. Die Stadt übernahm den finanziellen Bedarf der Bücherei, während die Pfarrei für die personelle Ausstattung sorgte. Ein Büchereikuratorium, das aus städtischen und pfarrlichen Vertretern bestand, koordinierte die künftigen Aktivitäten.
Der Meilenstein: Eröffnung der Stadtbücherei im „Haus der Begegnung“
Die feierliche Eröffnung der Stadtbücherei am 5. Oktober 1979 im renovierten „Haus der Begegnung“ kam einem Quantensprung gleich. Jetzt standen 400 Quadratmeter Stellfläche für anfangs 11.000 Bücher zur Verfügung. Der Bücherbestand stieg kontinuierlich auf heute über 25.000 Exemplare an, dazu bietet ein Medienzentrum zusätzliche Möglichkeiten der Wissensvermittlung mittels digitaler Datenträger an.
Mit der Eröffnung der Stadtbücherei im Haus der Begegnung ist diese Einrichtung an ihre Wurzeln zurückgekehrt. Vor nahezu 200 Jahren hatte der Leseverein an dieser Stelle in der Engelkapelle erstmals Bücher der Allgemeinheit zum Lesen angeboten.
Autor:Stadtarchiv Pfaffenhofen an der Ilm aus Pfaffenhofen |
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