„Es geht um das Bemühen zu verstehen“

Dr. Rainer Oechslen sprach im Rathaussaal.

Islambeauftragter Dr. Oechslen war zu Gast in Pfaffenhofen

Ein hochbrisantes Thema – die Gewalt im Islam – war Anlass für einen Vortrag, zu dem der Internationale Kulturverein Pfaffenhofen im Rahmen seiner Interkulturellen und Interreligiösen Tage 2016 den Islambeauftragte der Evangelischen Landeskirche, Dr. Rainer Oechslen, eingeladen hatte. Sein Referat beschäftigte sich aber ebenso mit der Gewalt im Christentum und trug den Titel „Koran und Bibel: Quellen des (Un-)Heils?“.

In Pfaffenhofen gibt es seit zehn Jahren den interreligiösen Dialog zwischen Christen und Muslimen unter der Leitung von Pastoralreferent Sepp Steinbüchler, katholischer Theologe und Vorsitzender des Internationalen Kulturvereins. Über 1.000 Muslime gibt es schon seit Jahren in Pfaffenhofen, erläuterte Steinbüchler, und hinzu kommen in jüngster Zeit noch rund 250 Flüchtlinge und Asylbewerber, von denen die meisten Sunniten sind. „Der Anlass für den heutigen Vortrag ist hochpolitisch“, erklärte Steinbüchler mit Blick auf den IS-Terror und zunehmende Ängste und Unsicherheiten „Aber auch in der Vergangenheit des Christentums wurde Gott oft missbraucht für Gewalt und Kriege“, erinnerte Steinbüchler und leitete damit zu der Frage über, ob Religion als solche gefährlich sei und ob Gewalt womöglich durch Bibel und Koran gefördert werde.

Dieser Frage ging Dr. Rainer Oechslen in seinem Vortrag nach, den er den 60 Zuhörern im Festsaal des Rathauses als „so etwas wie Bibel- und Koranarbeit oder wie eine ganz ausführliche Predigt“ ankündigte. Sowohl aus der Bibel als auch aus dem Koran zitierte er ausgewählte Stellen, die mit Gewalt zu tun haben, und legte sie aus. Was aus dem Zusammenhang gerissen brutal und gewalttätig erscheint, ist nämlich ganz anders zu verstehen, wenn man den Kontext und die Hintergründe kennt. Hinzu kommen noch falsche oder zweideutige Übersetzungen, die oft zu Missverständnissen führen.
So seien mit den oft zitierten „Ungläubigen“ keineswegs alle Christen und Juden gemeint, sondern alle „Undankbaren“, die nicht für die Schöpfung Gottes dankbar seien. Immerhin steht ja auch im Koran: „Unser Gott und euer Gott sind einer. Ihm sind wir ergeben.“

Nur wer sich intensiv und lange mit den Schriften beschäftige, könne die oft schwierigen Texte wirklich erfassen, meinte Dr. Oechslen. Und gerade der Koran sei nicht leicht zu verstehen: „Das ist nicht Prosa, sondern Poesie und auf Anhieb ebenso schwer zu begreifen wie manche Gedichte.“ Oder, wie ein Zuhörer es ausdrückte: „An diesen Texten muss man länger kauen.“

In der bekannten Bibelstelle „Auge um Auge, Zahn um Zahn...“ im Alten Testament gehe es keineswegs um Rache oder grausame Bestrafung, sondern um einen finanziellen Schadenersatz für verschiedene Verletzungen, stellte der evangelische Theologe und Islam-Experte klar. „Das muss man juristisch begreifen, es ist eine Art Sozialgericht.“ Auch im Neuen Testament gibt es ähnliche Stellen und sogar in der Bergpredigt ist vom Ausreißen des eigenen Auges und vom Abhacken der eigenen Hand die Rede. „Stünde das im Koran, würde Frau von Storch sagen, das muss man wörtlich nehmen“, meinte Rainer Oechslen mit Blick auf die Berliner AfD-Chefin. Dabei bedeute diese Bibelstelle vielmehr, dass mancher Entschluss und mancher Verzicht so weh tun könne wie körperlicher Schmerz.

Ursprünglich, so führte Dr. Oechslen aus, habe Mohammed mit seiner Lehre Frieden stiften wollen. Er sei zwar kein Pazifist gewesen und habe Widerstand erlaubt, aber Angriffskrieg und Friedensbruch verboten. Als „Kern des Islam“ bezeichnete der Referent das Bemühen auf dem Weg Gottes, die Gottergebenheit und die Dankbarkeit für die Schöpfung. Zudem appelliere der Koran an die Vernunft des Menschen.

„Friedlich liest sich anders“, hielt ein Zuhörer dagegen und Oechslen stellte klar, dass er nichts beschönigen wolle, sondern dass es ihm in diesem Vortrag um die Auslegung der Schrift gehe. „Ich möchte auf die Wurzeln zurückgreifen und eine Vertiefung in die derzeitigen Diskussionen bringen.“ Zumeist gehe es auch gar nicht um Religion, sondern um politische Machtspiele, um gesellschaftliche und kulturelle Hintergründe, meinte er und betonte: „Terror ist ein Zeichen der Schwäche, nicht der Stärke. Der IS ist im Irak auf dem Rückzug – jetzt versuchen sie, den Terror nach Europa zu bringen.“

Auf Integrationsprobleme in Deutschland – auch ganz konkret in Pfaffenhofen – angesprochen, meinte Dr. Oechslen: „Viele Migranten leben noch, symbolisch gesprochen, mit gepackten Koffern. Wir müssen das Signal geben: Ihr müsst Eure Identität nicht überbetonen, Ihr müsst Euch nicht verschleiern, damit wir Euch akzeptieren.“ Für ein besseres Miteinander sei eine Fortsetzung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs ganz wichtig. „Und vor allem geht es um das Bemühen zu verstehen."

Autor:

Internationaler Kulturverein Pfaffenhofen (IKVP) aus Pfaffenhofen

Rot-Kreuz-Straße 2, 85276 Pfaffenhofen
+49 8441 7869227
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