Stadtbücherei

Lesetipps für den Winter

Pauli Lorenz : Wie weihnachtelt man?
Illustrationen: Kathrin Schärer

Wie geht Weihnachten? Das wird doch wohl die alte, schlaue Eule wissen, denkt sich der kleine Hase und stattet ihr kurz vor Heilig Abend einen Besuch ab. Und natürlich weiß die Eule, ihre Gelegenheit witternd, auf diese Frage eine Antwort: „Weihnachten ist, wenn alle der Eule ein Geschenk bringen! Und ein glitzernder Weihnachtsbaum gehört auch dazu!“ Der kleine Hase ist begeistert und verbreitet diese Nachricht unter all seinen Freunden, die sich sofort eifrig in die Geschenkeproduktion für die Eule stürzen. Denn Weihnachten erleben, das wollen sie tatsächlich (fast) alle! Doch dann läuft so einiges schief und schließlich doch wieder auf überraschende Weise perfekt. Am Ende bekommt nicht nur die Eule, sondern jedes Tier ein Geschenk und alle zusammen feiern einen glücklichen Weihnachtsabend unterm Tannenbaum. Das Geheimrezept: Freundschaft und Hilfsbereitschaft sind wichtiger als jedes Geschenk!

Das Highlight dieses Bilderbuchs sind neben der witzigen Geschichte über den Sinn des Schenkens die für Kathrin Schärer absolut charakteristischen Illustrationen. Ihr gelingt es, jede auch noch so kleinste Gefühlsregung in den Gesichtern der Tiere abzubilden: Freude, Eifer, Scham, Verzweiflung oder tiefste Zufriedenheit. Es macht Spaß, die Gefühle in dieser Vielfalt zusammen mit Kindern zu entdecken, zu deuten und zu benennen.
Elisabeth Brendel, Stadtbücherei

Saša Stanišic: Herkunft
Autor Stanišic wurde 1978 in Visegrad im damaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien geboren. Seine Heimatstadt gehört inzwischen zu Bosnien/Herzegowina. Als 14-jähriger kam Stanisic aus dem in Einzelstaaten zerfallenden Jugoslawien nach Deutschland.

In seinem Roman schreibt er als Ich-Erzähler darüber, was das ist: Herkunft. Das Buch beinhaltet die mit Völkermord verbundenen Jugoslawienkriege, die Familiengeschichte des Autors, seine Integration als geflüchteter Jugendlicher in Deutschland und die Erinnerungen an die demente Großmutter, bei der er aufwuchs. Die Handlung spielt sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart und ist überwiegend autobiographisch geprägt: Der Vater des Autors, ein studierter Betriebswirt, ist ein aus Bosnien stammender Serbe, seine Mutter, eine Politologin, ist muslimische Bosnierin. Beide können in Deutschland nur weit unter ihrer Qualifikation arbeiten. Neben den Eltern spielt die Großmutter für Stanišic eine prägende Rolle. Während sie ihre Erinnerungen verliert, schreibt er die seinen auf.
Weitere wichtige Personen des Buchs, die der Autor sowohl mit viel Witz, als auch liebevoll beschreibt: Seine Großtante als Symbol für Ehrgeiz und Hoffnung, die als Fünfzehnjährige mit nichts als ihren Ziegen loszieht, um Kosmonautin zu werden Sein Deutschlehrer, der ihn ermutigt seine Gedichte auf Deutsch zu schreiben. Ein Nachbar und deutscher Zahnarzt, der sich der Familie und ihrer Zähne
annimmt Freunde und Klassenkameraden in Deutschland und Verwandte in Bosnien, mit denen der Autor über seine Herkunft spricht. Herkunft bezieht sich nicht nur auf die lokale Herkunft, sondern auch auf Menschen, die mit uns und vor uns lebten, Geschichten, die uns geprägt haben, Kultur, Sprache Herkunft ist ein Prozess.

Die ausdrucksstarke, poetische Beleuchtung seiner Figuren, philosophische Betrachtungen mit ungemeiner sprachlicher Stärke und die kunstvolle, präzise Beschreibung der Ereignisse und Vorfälle des Romans machen ihn zu besonderer Literatur. Ein Buch, das viel Stoff zum Nachdenken gibt, auch über die eigene Herkunft.
Maria Harrer (ehrenamtliche Rezensentin)