Muss das sein?
Es passiert regelmäßig. Bei Nacht ebenso wie am hellichten Tag: Haustiere werden ausgesetzt. Die Anzahl der Verstoßenen nimmt stetig zu.
Samstag, 11. Mai, kurz nach 14 Uhr. Eine Spaziergängerin findet in Schachteln und Tüten zwölf Vögel. Fünf Wellensittiche, drei grüne Kanarienvögel, drei Zebrafinken, eine Wachtel. Die Tiere müssen eben abgestellt worden sein. Besonders geschmacklos: Auf einer der Tüten prangt zynisch der Spruch: „Heimat neu entdecken“.
Die Tiere wurden „entsorgt“ auf einem Schotterplatz an der Weiberrast. Zur Tierherberge wären es 50 Meter gewesen. Diese letzten 50 Meter zu gehen, dafür war der Besitzer wohl nicht zu faul. Aber zu feige.
Entsorgt? Ohne Sorge war danach vermutlich nur der frühere Besitzer. Ohne Schuld war er nicht: Das Aussetzen von Tieren ist verboten. Darüber hinaus mit Strafen bis zu 25.000 Euro bewehrt – keine Peanuts. Besorgt waren die Mitarbeiter der Herberge. Sind alle Vögel gesund? Schleppen die unangemeldeten Neulinge Krankheiten ein? Wo die verschiedenen Arten unterbringen, die sich teils nicht miteinander vertragen?
Die gute Nachricht: Die Tiere konnten seither überdurchschnittlich schnell wieder vermittelt werden. Die schlechte: Die nächsten dürften nicht lange auf sich warten lassen.
„Muss das wirklich sein?“, fragt Sandra Lob, die Leiterin der Tierherberge. „Warum bringen diese Leute nicht den Schneid auf, die paar Schritte zu uns zu gehen und zu klingeln? Wir haben niemandem die Tür vor dem Nase zugeschlagen oder den Kopf abgerissen.“
Sehr häufig könne man Lösungen finden. Allerdings müsse man miteinander reden. Die Tiere irgendwo abzustellen - im Sommer häufig ohne Wasser, im Winter bei Eiseskälte - das seine keine Lösung. Sondern "feige und die schlechteste Möglichkeit".
„Verlassen Sie sich nicht auf Ihre Kinder!“
Warum werden so häufig Tiere ausgesetzt? Da ist der Hund, der annähernd zehn Jahre alt und nicht mehr quietschfidel ist. Es kommt ein zweites Baby, das nicht geplant war und die akkurate Familienplanung erheblich stört. Sehr zum Nachteil des Katers, der seit Jahren hier lebte und jetzt – nolens, volens – umziehen muss. Ziel unbekannt. Haustiere schätzen es ganz und gar nicht, ohne Not verpflanzt zu werden.
Schließlich der Klassiker: Die niedlichen Kaninchen, die dem Filius gaaanz dolle gefallen haben. Er hat er versprochen, sich ab heute für immer um diese Kaninchen zu kümmern, großes Indianerehrenwort inklusive. Der Junior hat sich strikt an sein Versprechen gehalten – leider nur rund eine Woche lang.
„Jeder, der seinem Kind ein Tier schenkt, sollte einkalkulieren, dass die Arbeit, die Pflichten aber auch das tägliche Gassigehen bei Hunden eventuell doch an den Eltern hängen bleibt“, rät der Tierschutzverein. Noch ein Klassiker: der „Schoßhund“, der ein Kampfgewicht von gut 60 Kilo auf die Waage bringt. Dann geht die Ehe zugrunde, die neuen Wohnungen der ehemaligen Partner sind erheblich kleiner. Nur der Hund ist weder kleiner noch leichter geworden über die Jahre. Weg damit? Mit Tieren, das man irgendwann heiß und innig geliebt haben muss?
Märchenstunde in der Herberge
Ebenfalls beliebt: Eine über Nacht einsetzende Tierhaar-Allergie. Überraschend oft nach vielen, vielen Jahren, die man mit eben diesen Haustieren problemlos verbracht hat.
Man habe längst einen festen Begriff für die Nöte und Zipperlein, über die Tierbesitzer klagen, wenn es plötzlich Probleme gibt mit den Tieren. Der Begriff lautet, „unsere tägliche Märchenstunde“.
Deshalb: „Überlegen Sie sich vor der Anschaffung eines Haustieres gründlich, wirklich sehr gründlich, was alles passieren kann in den vielen Jahre, die das Tier bei Ihnen leben wird“, rät man an der Weiberrast. Und was in Problemfällen mit dem vierbeinigen oder geflügelten Mitbewohnern passiert.
Kaufen Sie niemals ein Tier spontan, weil es doch sooo niedlich ist. Es wird wachsen, es wird älter, es wird vielleicht krank, kostet Geld. Und dann?
Solches Ungemach zu vermeiden, da ist guter Rat nicht teuer. Die Tierschützer von der Herberge:
Denken Sie darüber nach. Und zwar vorher! Das sind Sie Ihrem Tier schuldig.
Damit Sie nicht irgendwann sagen müssen: Mein Tier hat seine Schuldigkeit getan. Mein Tier muss gehen.
PS: Bereits eine Woche später wurde eine Taube frühmorgens neben der Futterbox der Herberge gefunden. Eingesperrt in einen Papierkarton zusammen mit ein paar Körnern und einem umgestoßenen Wassernapf. Die Taube überlebte die folgende Nacht nicht mehr.
Paul Ehrenreich
Autor:Tierschutzverein Pfaffenhofen und Umgebung e.V. aus Pfaffenhofen |
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