Auf dem Weg zu 100 Prozent lokaler und sauberer Stromversorgung
Pfaffenhofen gilt als Vorreiter bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Eine wichtige Rolle spielen dabei saubere Energien. Nun werden wesentliche Weichen gestellt für Pfaffenhofens Energiezukunft: Das lokale Stromnetz kommt unter der Regie der Stadtwerke wieder in Bürgerhand. Über die Errichtung von Windrädern im Förnbacher Forst soll im Herbst ein Bürgerentscheid stattfinden. Schon bald könnte Pfaffenhofen seinen Strom komplett selbst vor Ort erzeugen.
Pfaffenhofen hat sich ganz besonders zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz verpflichtet. Dass man auf einem guten Weg ist, beweist der erste Platz beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2013. Dank des Biomasse-Heizkraftwerks hat man bereits 2001 als erste deutsche Kommune das Klimaschutzziel aus dem Kyoto-Protokoll übertroffen. Die Stadt will auch künftig vorangehen: Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen nochmals mehr als halbiert werden. 2012 wurde dazu gemeinsam mit engagierten Bürgern ein integriertes Klimaschutzkonzept erarbeitet und 2015 die Klimaschutzallianz aller klimaaktiven Bürger, Unternehmen und Vereine gegründet.
Einen Schritt voraus beim Klimaschutz
Der Aktionsplan des Klimaschutzkonzeptes empfiehlt 28 konkrete Maßnahmen. Bereits realisiert ist z. B. die Einführung eines Energiemanagements für alle 30 städtischen Gebäude. Dazu wurden Wärme-, Strom- und Wasserverbrauch detailliert untersucht, um Einsparpotenziale zu erkennen – sei es durch Verhaltensänderungen der Nutzer oder Investitionen und verbesserte Technik. Eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Eisstadions versorgt – je nach Jahreszeit – die beiden Großverbraucher Freibad bzw. Eisstadion mit. Aktionen wie der Klimaschutztag oder die Aktion Stadtradeln haben die Bevölkerung zum Mitmachen bewegt.
Stromnetz in Bürgerhand
Eine wichtige Rolle bei einer „sauberen“ Daseinsvorsorge spielen die Stadtwerke. Diese wurden 2013 als Kommunalunternehmen gegründet – u. a. mit dem Ziel, die Netze für Strom, Gas und Wärme wieder in öffentliche Hand zu bringen. Bei der Konzessionsvergabe für das Stromnetz haben die Stadtwerke nun zusammen mit der Bayernwerk AG den Zuschlag erhalten. Durch die Einbindung des bisherigen Betreibers bleibt wichtiges technisches Know-how erhalten und die Stadtwerke steuern ihre kaufmännische Expertise bei. Im Gemeinschaftsunternehmen Stromversorgung Pfaffenhofen GmbH & Co. KG haben die Stadtwerke sogar die Mehrheit. Dies bringt für die nächsten 20 Jahre mehr Einfluss der Bürger auf die lokale Netzinfrastruktur.
„Die Energiewende beginnt mit dem Stromnetz“, erklärt Dr. Sebastian Brandmayr, technischer Leiter der Stadtwerke. So kann man den Ausbau erneuerbarer Energien gezielt steuern, wenn man die Energieflüsse im Stadtnetz kennt. Ziel ist es, dass der Strom dort erzeugt wird, wo er verbraucht wird. Das verhindert Importe und Leitungen. Zudem steht auf dem Plan, durch intelligente Trafos und 100 Prozent Erdverkabelung die Versorgungssicherheit stetig weiter zu verbessern.
Woher kommt der Strom?
70 Prozent des Stroms im Pfaffenhofener Netz können schon heute direkt vor Ort aus erneuerbaren Energien erzeugt werden (siehe Grafik Seite 4). Dies bedeutet nicht nur Unabhängigkeit, sondern auch Wertschöpfung, die in der Stadt bleibt. Der Rest wird derzeit aus dem überörtlichen Stromnetz bezogen und entspricht dem deutschen Strommix mit den größten Anteilen aus Kohle, Gas, Öl und Atomenergie. Die verbleibende Lücke soll in den nächsten fünf Jahren geschlossen werden. So würden beispielsweise drei Windräder bis zu einem Fünftel des Pfaffenhofener Verbrauchs decken. Bei Photovoltaik ist ebenfalls noch ein Ausbau möglich.
Zusätzlich setzt man auf Effizienzsteigerung und Speichertechnologien. Im Stromnetz ist geplant, Batteriespeicher als Puffer im Ortsnetz zu installieren. Damit kann ein schneller Ausgleich zwischen Spitzen in der Stromproduktion und im Verbrauch erfolgen. In Gasspeichern kann überschüssige Energie aus Wind und Sonne verwertet werden: Dabei wird die Elektrizität verwendet, um Wasser in Wasserstoff bzw. diesen weiter in Methan-Gas umzuwandeln. Dieses „Windgas“ lässt sich ins Gasnetz einspeisen oder bei Bedarf später wieder in Strom und Wärme zurückverwandeln.
Strom aus und für Pfaffenhofen – 100 Prozent lokal und sauber
Somit ist eine lokale Stromversorgung aus 100 Prozent sauberen Energien ein realistisches Szenario. Laut Klimaschutzstudie geht dies jedoch nur, wenn sowohl neue Photovoltaikanlagen als auch weitere Windkraftanlagen entstehen. Vereinfacht lässt sich sagen: Der Strom aus einem maßvollen Windenergie- und PV-Ausbau würde den Kohlestrom aus Zolling und den Atomstrom aus Ohu regelrecht aus dem Pfaffenhofener Netz drücken. Schon 2021 könnte der „Pfaffenhofener Stromsee“ sauber sein!
Die geplanten Windräder könnten also den entscheidenden Beitrag leisten, dass Pfaffenhofen als eines der ersten Mittelzentren beim Strom unabhängig wird. Konkret hat die Bürgerenergiegenossenschaft im Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm e. G. beantragt, drei Windräder im Förnbacher Forst östlich von Streitdorf zu errichten. Dieses Gebiet wurde als Eignungsfläche für Windkraft in der landkreisweiten Planung ausgewiesen. Um eine gemeinsame Steuerung und Koordinierung der Windkraftnutzung zu erreichen, haben sich alle Kommunen des Landkreises 2013 zu einem Planungsverband „Windkraft-planung Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm“ zusammengeschlossen.
Dieser Verband hat auf der Grundlage eines interkommunalen Fachkonzeptes einen gemeinsamen Teilflächennutzungsplan „Windkraftanlagen“ erarbeitet und 2015 beschlossen. In diesem Teilflächennutzungsplan sind sogenannte Eignungsflächen vorgesehen, in denen Windkraftanlagen aufgestellt werden dürfen. Für die Umsetzung ist die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich.
Bürgerentscheid für maximale Bürgerbeteiligung
Große Infrastrukturprojekte erfordern verstärkte Bürgerinformation und -beteiligung. Daher werden bei der Aufstellung dieses Bebauungsplans die Bürger wesentlich stärker beteiligt als bei herkömmlichen Verfahren – inklusive Bürgerentscheid:
• Am 4. Juli um 19 Uhr findet im Rathaus eine PAF und DU-Infoveranstaltung statt (siehe Infokasten Seite 3). Schon im Vorfeld wird das Bebauungsplan-Verfahren umfassend erläutert werden.
• Ein Vorentwurf kommt von Anfang Juli bis Mitte August zur ersten Auslegung. Dann können nicht nur Verbände und Fachbehörden ihre Stellungnahmen abgeben, sondern auch Bürger im Rahmen der „frühzeitigen Bürgerbeteiligung“.
• Die Einwendungen werden bis September geprüft. In einer öffentlichen Bürgerkonferenz wird die Stadt ihre Abwägung der eingegangenen Einwendungen erläutern.
• Im Herbst, frühestens am 18. September, soll ein Bürgerentscheid zu den Windrädern stattfinden. Über Details wird der Stadtrat Ende Juli entscheiden. Geplant ist ein so genanntes Ratsbegehren. Das bedeutet, dass die Initiative zum Bürgerentscheid vom Stadtrat ausgeht. Dieser übergibt das Thema zur Entscheidung an die Bürger und ist an deren Votum gebunden. Zudem wird der Bebauungsplan erneut ausgelegt, wieder sind Stellungnahmen möglich.
• Im Dezember wird schließlich – je nach Ausgang des Bürgerentscheids – das Bebauungsplanverfahren eingestellt oder der Satzungsbeschluss gefasst.
Zukunftsaussichten bei Gas und Wärme
Über den Bau des Biomasseheizkraftwerks hatten 1998 ebenfalls die Bürger abgestimmt. Im Wärmebereich ist durch diese Kraft-Wärme-Kopplungsanlage der Anteil erneuerbarer Energien in Pfaffenhofen überdurchschnittlich hoch im Bundesvergleich. Dennoch stammt laut Klimaschutzstudie über zwei Drittel der Wärme aus fossilen Quellen. Um hier zu einer Wende zu kommen, stehen Einsparungen im Vordergrund, vor allem durch Gebäudesanierung. Zudem sind weitere Solarthermieanlagen und Wärmepumpen bei Privat und Gewerbe nötig.
Einen großen Schub könnte auch beim Thema „Heizen“ die Rekommunalisierung des Gasnetzes bringen, um z. B. mehr regenerativ erzeugtes Gas einzuspeisen. Hier bewerben sich die Stadtwerke ebenfalls mit Partnern für die Konzession. Die Energiefrage wird Pfaffenhofen also noch länger beschäftigen.
Die „Stromversorgung Pfaffenhofen GmbH & Co. KG“ hat den Zuschlag für die Stromkonzession erhalten. Eine Besonderheit: Die Kooperation von Stadtwerken und Bayernwerk hat direkten Zugang zum Umspannwerk in Reisgang, obwohl es nicht auf Pfaffenhofener Grund liegt. Dieses bindet das Pfaffenhofener Ortsnetz an die regionale 110kV-Leitung an. 70 Prozent des Stroms im Pfaffenhofener Netz können schon heute direkt vor Ort aus erneuerbaren Energien erzeugt werden – 100 Prozentsind realistisch innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erreichen.
Autor:PAF und DU Redaktion aus Pfaffenhofen |
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