Interview mit Bürgermeister Thomas Herker: Gartenschau – Zukunftsperspektive und Bedeutung
„Wert für Generationen, den uns keiner mehr nehmen kann“
Drei Monate Gartenschau sind vorbei. Pfaffenhofens Erster Bürgermeister Thomas Herker erläutert im PAFund DU-Interview, wie es nun mit dem Gelände weitergeht – und welchen Stellenwert die Gartenschau für die bisherige und künftige Stadtentwicklung hat.
Was kommt nach der Gartenschau? Wie geht es nach drei Monaten Veranstaltungszeit weiter?
Nach dem erfolgreichen und durchaus ambitionierten Rückbau am Festplatz, der in kurzer Zeit stattfinden musste, sind die Flächen der Parks mittlerweile den Bürgern zugänglich. Damit haben wir einen Wert für Generationen geschaffen, den uns keiner mehr nehmen kann.
Nun gilt es, die Parkanlagen dem Grundcharakter nach zu erhalten. Die ganz intensiven Blühflächen werden noch zum Saisonende zurückgebaut, aber 95 Prozent sind im Kern unverändert geblieben – allen voran natürlich die großzügigen Parkanlagen mit den Staudenpflanzungen, die im nächsten Jahr wieder genauso erblühen werden wie während der Gartenschau.
Welche Ideen gibt es für eine künftige Nutzung der neu gestalteten Flächen?
Wir wollen auf alle Fälle eine Nachnutzung etablieren. Was klar ist im Bereich der Veranstaltungen: Es wird nächstes Jahr im Frühjahr das Saitensprung-Festival für Nachwuchsbands im Sport- und Freizeitpark stattfinden. Das Open-Air-Kino schreit nach Wiederholung. Die Hopfenernte am Hopfenturm darf man als gesetzt betrachten, das werden wir jährlich zelebrieren. Und ansonsten wird es mit Sicherheit wechselnde Formate geben, die im Sport- und Freizeitpark, im Bürgerpark oder auch auf der Ilminsel stattfinden werden.
Von den Einrichtungen her werden Bürgerwünsche aufgriffen, die erst jetzt, nach der Veranstaltung zu realisieren sind: Grillplätze sollen im nördlichen Teil des Sport- und Freizeitparks eingerichtet werden. Momentan arbeiten wir noch daran, zur nächsten Sommersaison den dauerhaften Biergarten zu sichern und so im Bürgerpark klassischen Biergartenbetrieb zu ermöglichen. Das Grüne Klassenzimmer wird regelmäßig genutzt werden. Und ansonsten bleibt es der Fantasie der Bürger aus Stadt und Umland überlassen, was sie mit den Flächen anstellen. Sie laden zum Sonnen ein, zum Spielen, zum Verweilen. Der Fischpass ist ein großer Wasserspielplatz. Insgesamt gibt es vielfältige Nutzungsmöglichkeiten.
Was nimmt Pfaffenhofen – außer den drei neuen Parks – von der Gartenschau mit, worauf kann man aufbauen?
Jenseits der greifbaren Flächen bleibt v. a. die Erinnerung an einen unbeschreiblichen Sommer 2017 und ein Flair in der Stadt, das man sonst nur aus Urlaubsstätten in Südeuropa kennt. Ich glaube, die Erinnerung wird lange anhalten – begleitet von einem Stück weit Stolz auf die Heimatstadt.
Vielleicht ist auch ein Stück Bewusstseinswandel mit der Gartenschau einhergehend: Ein Bewusstseinswandel in Bezug auf den öffentlichen Raum, dass wir begreifen, dass die Stadt uns allen gehört, dass es verschiedene öffentliche Bedürfnisse gibt und dass in einer Stadt wie Pfaffenhofen Platz für alles und jeden sein muss – nicht immer gleichzeitig, nicht immer auf einen Fleck konzentriert. Aber die Stadt ist groß genug, um Nischen für buntestes Klientel zu bieten.
Welches ist aus Ihrer Sicht der größte Mehrwert, den Pfaffenhofen von der Ausrichtung der Gartenschau hat?
Der Mehrwert sind die Daueranlagen, das, was bleibt: 5,8 Hektar Grün-, Erholungs-, Spiel- und Bewegungsflächen. Das ist etwas, das es nicht gab. Wir haben schöne Bereiche im Stadtwald, Gerolsbachtal und Ilmtal. Das ist im Prinzip alles außerhalb der Stadt gelegen. Mit der Gartenschau zieht das Grün in die gute Stube ein. Städte, die einmal Herrschaftssitz waren, haben in der Regel Parkanlagen, die Adelige und Könige hinterlassen haben. In Pfaffenhofen waren wir nie so bedeutend, dass wir solche Spuren aus der Vergangenheit vorzuweisen hätten. Es gab zwar schon vor hundert Jahren Überlegungen des städtischen Verschönerungsvereins, Parkanalagen zu erreichten. Da kam leider der erste Weltkrieg dazwischen. Jetzt endlich ist es gelungen, in einer wachsenden Stadt, die eine gute Zukunft vor sich hat, diesen öffentlichen Raum zu schaffen.
Warum war die Ausrichtung der Gartenschau wichtig für Pfaffenhofen?
Das hat genau mit dem Thema Wachstum zu tun: Pfaffenhofen liegt inmitten des Großraums München im wohl prosperierendsten Wirtschaftsraum Deutschlands oder Mitteleuropas. Pfaffenhofen selbst ist einem großen Wachstumsdruck ausgesetzt, wir wollen das Wachstum nicht weiter befeuern, wir wollen verantwortlich damit umgehen, wir wollen Flächen- und ressourcensparend agieren. Wir sind seit über 15 Jahren [2001] Modellkommune für Flächenressourcenmanagement. Wir haben die letzten elf Jahre keine großen Baugebiete ausgewiesen. Momentan planen wir zwar welche, generell aber gilt der Ansatz: Wir wollen eher nachverdichten, verträglich höher werden. Es gibt mehr Menschen, die im zweiten, dritten Stock wohnen, vielleicht noch einen Balkon haben und keinen eigenen Garten. Von daher ist es umso wichtiger, ja geradezu notwendig, öffentlich zugänglichen Freiraum zu schaffen, der von allen genutzt werden kann, wenn ich lebenswert erhalten und steigern möchte.
Gartenschauen waren vielleicht vor 30 Jahren eher Leistungsschauen der Gärtner und der einschlägigen Berufsverbände. Heute ist eine Gartenschau ein städtebauliches Instrument und diese Chance haben wir erkannt und wollten wir nutzen. Die Gartenschau hat den hat den Vorteil, dass sie zum einen Zugkraft entwickelt, weil man zu einem definierten Zeitpunkt auch wirklich fertig sein muss und daher Entscheidungen nicht vertagen und schieben kann. Auf der anderen Seite gehen mit der Gartenschau immer Fördermittel einher, die solche Investitionen leichter schulterbar machen. Deswegen ganz klar: Die Gartenschau ist ein Instrument wie gemacht für eine Stadt wie Pfaffenhofen.
Wie haben Sie das gesehen, als im Jahr 2009 die Idee zur Bewerbung aufkam: Was waren Ihre Gedanken damals?
Es war damals schon klar: Die Stadt wird weiter wachsen. Wir profitieren seit vielen Jahrzehnten von der Nähe zu München, von der optimalen verkehrlichen Anbindung an die Großstadt. Auf der anderen Seite sind wir weit genug weg, um eigene Identität bewahren zu können, um noch als eigenständige Gemeinschaft zu funktionieren. Anders als so manche Kommune, die im MVV-Gebiet mittlerweile zur seelenlosen Trabantenstadt geworden ist. Der Anspruch war, Lebenswert zu erhalten und weiter zu steigern. Wie gesagt: Wenn man dichter wird, wenn man mehr Menschen beherbergt und wenn das Einfamilienhaus auf dem 800-Quadratmeter-Grundstück nicht mehr der Standard ist, sondern eher das Auslaufmodell, wenn Menschen auf kleinerer Fläche komprimierter zusammen leben, dann braucht m an diese Freiflächen, wo eben Begegnung stattfinden kann, wo man Erholungswert hat.
Auf der anderen Seite war uns allen klar: Auch der Klimawandel wird das Stadtklima verändern – auch da ist es wichtig, grüne Oasen und entsiegelte Flächen zu schaffen.
Auch der Ansatz der Biodiversität war einer der Punkte in der Diskussion. Wir haben in der Vergangenheit Straßenbegleitgrün gehabt , vielleicht ein paar Tag- und Nachtschattengewächse im Kreisverkehr, aber es waren ökologisch wenig wertvolle Flächen. Und auch da ist die Gartenschau ein geeignetes Instrument, um hier einen deutlichen Mehrwert zu schaffen. Das kann man ja beispielweise bei den Vogelzählungen im Bereich der Gartenschau schon heute nachweisen, dass dort die Vielfalt und die Population an sich zugenommen hat.
Und doch haben Sie damals im Stadtrat gegen eine Bewerbung für 2017 gestimmt und erst die Ausrichtung der Gartenschau 2019 angepeilt …
2009, als wir vor der Entscheidung standen: „Bewerben wir uns“ ging es weniger um das ob überhaupt. Die Frage war: Bewerben wir uns für 2017 oder bewerben wir uns für 2019? Damals war die finanzielle Situation der Stadt ungleich schlechter als sie heute dasteht. Der Personalbesatz in der Stadtverwaltung in den Kernbereichen war deutlich geringer, die Leistungsfähigkeit nicht vergleichbar mit dem, was die Stadtverwaltung heute im Stande ist zu leisten. Es war schon eine Mammutaufgabe angesichts dessen, was sonst alles auf der Liste stand, was erledigt werden musste und was schon Jahre der Bearbeitung geharrt hat. Deswegen war die sichere Annahme, sich doch für 2019 zu bewerben. Die sportliche Variante war 2017 und letztlich hat eine Mehrheit im Stadtrat gesagt: 2017 ist machbar.
Es war also damals schon eine Monsteraufgabe, die vor uns stand und im Nachgang muss man sagen: Es wurde mit Bravour bewältigt. Sowohl die Gartenschau, als auch die Stadterneuerung: Im Vergleich zur damaligen Annahme wurden rückblickend 100 Millionen Euro mehr in das Gemeinwesen investiert, weil die Stadt es sich leisten konnte – und weil es auch zu tun war. Die Ertüchtigung der Infrastruktur ist deutlich zügiger vorangeschritten, als wir uns das 2009 hätten erhoffen können. Wenn man heute auf die Stadt schaut, es ist die Veränderung in vielen Bereichen deutlich wahrnehmbar: die soziale Infrastruktur, der öffentliche Raum, die Gestaltung, die Bereicherung des kulturellen Lebens – hier kann man ein ganzes Potpourri aufmachen. Aber auch Dinge, die man nicht auf den ersten Blick sieht, wie im Bereich Wasserversorgung und Abwasser.
Wie sehr hat die Gartenschau Pfaffenhofen verändert?
Die Bereiche, die vorher eng funktional begrenzt waren – Bauhof, Recyclinghof – oder hochwertige Flächen, die als Parkplatz oder Schotterfläche genutzt wurden, hat man nun der Öffentlichkeit erschlossen und für breite Bevölkerungsteile nutzbar gemacht.
Es hat Vieles im Umfeld beschleunigt, das zwar nicht zur Gartenschau gehört hat, aber zur Gartenschau hin zeitlich ausgerichtet war: Die Sanierung der Fußballstadions, die Erneuerung der Fuß- und Radwege entlang der Ilm, Baumaßnahmen wie die Erneuerung der Schlachthofstraße, die Freistellung des Hungerturms – das sind alle Dinge, die eng verbunden sind mit der Gartenschau, weil wir uns unseren Gästen während der Gartenschau gut präsentieren wollten. Da gehört nicht nur dazu, dass es auf dem Gelände schön ist, sondern dass in der Gesamtstadt alles gerichtet ist. Vieles hätte vielleicht ein paar Jahre länger gedauert, wenn nicht der Zwangspunkt 24. Mai 2017 gewesen wäre, der Tag der Eröffnung der Gartenschau.
Wenn Pfaffenhofen noch einmal Gastgeber einer Gartenschau wäre: Was würden Sie anders machen?
Nichts.
Heißt das im Umkehrschluss, sie hat das Ergebnis gezeigt, das man sich erhofft hat?
Man könnte vielleicht kleine Details besser machen, aber da drängt sich mir jetzt momentan nichts Konkretes auf. Stand heute waren die Baumaßnahmen hervorragend umgesetzt. An dieser Stelle noch einmal ein Dank an Walter Karl, unseren ehemaligen Stadtbaumeister, der als Geschäftsführer die investiven Tätigkeiten im Rahmen der Gartenschau verantwortet hat. Das Programm war vielfältig, bunt und hat für Jeden etwas geboten. Stand heute würde ich sagen: Das lief alles hervorragend und war rund – nicht zuletzt auch aufgrund der Beteiligung und des Einbringens der Bürgerschaft und der Vereine, der Institutionen, die hier am Gesamtkonzept mitgearbeitet haben.
Vielleicht fällt einem in zwei, drei Jahren etwas auf. Die Frage ist jetzt natürlich: Wie bewähren sich die Flächen in der dauerhaften Nutzung? Gibt es vielleicht irgendwelche Nutzungskonflikte, die auftreten? Davor ist man natürlich nie ganz gefeit, aber auch das werden wir am Schluss regeln können.
Wie ist also Ihr Fazit zur Gartenschau im Kontext der Stadtentwicklung?
So vielfältig und bunt, wie sich die Stadt heute darstellt – das ist eine kontinuierliche Entwicklung, die wir die letzten Jahre hier verzeichnen konnten. Die Ausrichtung der Gartenschau war hier ein Baustein, ein wichtiger Treiber und ein gutes Instrument.
Daher ein großer Dank an alle Beteiligten der Gartenschau, die sich mit Ideen, Schweiß und Arbeitseinsatz oder auch als Unterstützer und Botschafter eingebracht haben! Es ist das Werk vieler, auch wenn der Stadtrat letztendlich die Entscheidung federführend getroffen hat, so ist es ein Projekt der Gesamtstadt. Etwas, auf das 26.000 Pfaffenhofener gemeinsam stolz sein können und etwas, das wir gemeinsam für uns und unsere Nachfahren geschaffen haben. Etwas, das uns keiner mehr nehmen kann.
Es gibt Städte wie Würzburg oder Ingolstadt, die demnächst schon zum zweiten Mal eine Gartenschau durchführen und andere, die sich erneut bewerben wollen. Wer weiß, vielleicht gibt es ja in ferner Zukunft auch in Pfaffenhofen eine zweite Gartenschau. Jetzt müssen wir aber erst einmal durchschnaufen …
Autor:Bürgerservice Pfaffenhofen aus Pfaffenhofen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.