Pfaffenhofener Lesebühne
Fünf hochkarätige Autorinnen und Autoren
Fünf hochkarätige Autorinnen und Autoren sowie das Pfaffenhofener Publikum haben die Pfaffenhofener Lesebühne 2020 gleichermaßen erfolgreich angenommen. Für die Autoren war es eine der wenigen Möglichkeiten, die sich derzeit bieten, um ihre Bücher selbst vor Gästen vorzustellen. Fünf Lesungen im Festsaal des Rathauses waren zum Teil ausverkauft. Einige Stühle blieben dennoch leer, weil die Gäste angesichts der steigenden Infektionszahlen aus Vorsicht zuhause blieben.
Wenige Gelegenheiten
Sebastian Daschner, der Kulturmanager der Stadt Pfaffenhofen zeigte sich entsprechend zufrieden mit dem Ablauf. „Die Autorinnen und Autoren waren sehr glücklich, hier zu sein. Wir bieten ihnen eine der wenigen Gelegenheiten vor Publikum zu lesen.“ Dass die Literatur-Bloggerin Karla Paul kurzfristig aus Rücksicht auf ihre Familie abgesagt hatte, stieß sowohl bei den Literaturbegeisterten als auch bei den Organisatoren auf vollstes Verständnis. Für die Veranstaltungen galt wegen der Pandemie ein verschärftes Schutzkonzept. "Alle Anwesenden haben sich bereitwillig und verständnisvoll an die Verhaltensregeln gehalten. Dafür sind wir sehr dankbar und freuen uns, dass wir die Pfaffenhofener Lesebühne unter diesen Umständen durchführen konnten“, lobt Daschner.
Wolf Harlander
Den Auftakt zur Pfaffenhofener Lesebühne machte am Freitagabend der Wirtschaftsjournalist und Autor Wolf Harlander, der seinen Klima-Thriller „42 Grad“ vorstellte. In seinem fiktiven Roman zeichnet er ein düsteres Bild, was passiert, wenn die Erderwärmung weitergeht und das Wasser immer knapper wird. Der Alltag ohne Wasser ist gezeichnet von Waldbränden, Dürre, Energiekrisen und den Folgen. Menschen ergreifen die Flucht in Regionen, die vermeintlich noch Wasser haben, Konzerne nutzen die Notlage skrupellos aus und schließlich droht die gesellschaftliche Ordnung komplett zu zerbrechen.
Harlander belässt es in seiner Lesung nicht damit, die Zuhörerinnen und Zuhörer mit dem Angst einflößenden Szenario zu konfrontieren. Er stellt seinem Roman die traurige Realität gegenüber, dass die 42 Grad in Deutschland im Sommer 2019 bereits überschritten wurden oder dass wir in der Industriegesellschaft viel zu viel Wasser verbrauchen. Am Ende entlässt er die Gäste mit der bangen Ungewissheit, wieviel seiner erfundenen Welt bereits bittere Wirklichkeit ist.
Anne Siegel
Einen ganz anderen Blickwinkel auf die Welt wirft die Journalistin und Autorin Anne Siegel. Sie entführte die Zuhörerinnen und Zuhörer nach Island, wo sie zehn Isländerinnen getroffen hat, die sie in ihrem Buch „Wo die wilden Frauen wohnen“ portraitiert. Es sind ganz besondere Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen, zupacken und etwas schaffen. Das Buch stellt unter anderem eine Fischerin, eine Geothermiespezialistin, eine Bierbrauerin und die isländische Sängerin Björk vor.
Anne Siegel garnierte die Passagen aus dem Buch mit zahlreichen Anekdoten und Geschichten, unter dem Motto, „was im Buch steht, das können Sie ja selbst lesen.“ Sie schildert die Erlebnisse so engagiert und lebendig, dass die neunzigminütige Mischung aus vorlesen und erzählen ein neues Literaturerlebnis wird.
Christopher Kloeble
In die weite Welt reist das Publikum auch am Samstagabend mit Christopher Kloeble. Der gebürtige Oberbayer entführt mit seinem Roman „Das Museum der Welt“ in seine Wahlheimat Indien zur Zeit der großen Wissenschaftsexpeditionen. Das Buch handelt von der Indien-Expedition der Gebrüder Schlagintweit aus München, die bekanntesten bayerischen Entdecker. Kloeble zeigt diese Periode jedoch aus der Perspektive Indiens. Der Fokus liegt darauf, wie die Inder diesen Teil der Kolonialgeschichte gesehen haben. Der Erzähler ist der indische Waisenjunge Bartholomäus, der in einem Jesuitenwaisenhaus aufwächst, deutsch spricht und das erste indische Museum eröffnen möchte. Er wird gezwungen, die Brüder als Übersetzer zu begleiten. Dabei schwankt er zwischen Faszination und Abscheu gegenüber den westlichen Herren und ihren Ansichten. Kloeble bezeichnet diese Faszination für die Unterdrücker als „Kolonalismus der Seele“.
Der Autor betont in der Lesung immer wieder, wie wichtig es ihm war, Indien gerecht zu werden, indem er zum Beispiel auf Klischees verzichtet. Er erzählt dem Publikum von seinem „härtesten Lektor“, nämlich seiner Frau, einer Lektorin und Autorin aus der indischen Millionenmetropole Delhi. Im Zentrum des spannenden Abenteuerromans und des gelungenen Abends steht die Frage, mit welcher Haltung sich verschiedene Kulturen begegnen.
Markus Ostermair
Der Pfaffenhofener Kulturpreisträger Markus Ostermair hatte bei der Lesebühne am Sonntagvormittag mit seinem Debütroman „Der Sandler“ schwere Kost im Gepäck. Die Geschichten seiner Obdachlosen sind zwar fiktiv, aber authentisch erzählt. Von seiner Zeit als Zivildienstleistender und langjähriger ehrenamtlicher Helfer in einer Bahnhofsmission kennt Ostermair viele Schicksalsschläge, die dazu geführt haben, dass Menschen auf der Straße gelandet sind. Er hat selbst erlebt wie groß die Scham über den sozialen Abstieg für die Betroffenen ist.
Wichtig sei es ihm gewesen mit dem „ Sandler“ keinen „Musterobdachlosen“ zu kreieren, denn jeder, der auf der Straße lebe, habe seine eigene Geschichte. Das Schreiben ermögliche es ihm dabei, eine Figuren- und Stimmenvielfalt zu schaffen und durch den Perspektivwechsel werden immer andere Figuren und deren Weg durch die Stadt beleuchtet. Die Lesung stimmte nachdenklich und führte dazu, sich mit seinen eigenen Berührungsängsten auseinanderzusetzen, diese sogar zu überdenken. Es gebe zwar keinen „Leitfaden“ im Umgang mit Obdachlosen, so Ostermair auf eine Frage aus dem Publikum, aber eine Möglichkeit sei es, das buchstäbliche „Gespräch auf Augenhöhe“ zu suchen, sich zu bemühen, die dahinterliegenden Strukturen zu sehen und den Betroffenen nicht mit einer „Selber-Schuld-Haltung“ zu begegnen.
Christiane Eichel
Zum Abschluss beschäftigte sich die Pfaffenhofener Lesebühne intensiv mit Ludwig van Beethoven, dessen Musik und dessen Zeit. Die Musikwissenschaftlerin und Publizistin Christiane Eichel trug spannend aus ihrer Beethoven- Biographie „Der empfindsame Titan“ vor. In dem Buch stellt sie den Komponisten oder „Klangkünstler“, wie er sich selbst nannte, schlaglichtartig vor. Sie legt den Schwerpunkt auf die Darstellung seiner berühmt-berüchtigt gewordenen Unangepasstheit, die teils auf seiner Persönlichkeit und teils auf seiner aufklärerischen Grundhaltung basierte. Zeitlebens versuchte er den Anspruch der Musik als eigenständige Kunstform, ganz im Sinne der Genieästhetik, geltend zu machen. Allerdings stand er damit immer im Widerspruch zu seiner Zeit, in der Komponisten wie Küchenchefs behandelt und auch bezahlt wurden.
Höchst anschaulich verband Christine Eichel die Lesung mit Beethovens Kompositionen und erklärte die Zusammenhänge zwischen den Neuerungen und den für das damalige Publikum Unerhörtheiten in seiner Musik und in seiner Welthaltung. Wunderbar veranschaulicht wurde dieses Zusammenspiel mit den von Nicolai Gerassimez eindrucksvoll am Flügel interpretierten Sonaten. Die von Christine Eichel in jahrelanger Recherchearbeit zusammengetragenen biographischen Details erlaubten dem Publikum zusammen mit Beethovens Musik einen sehr nahen Blick auf den berühmten Komponisten.
Autor:Kulturamt Pfaffenhofen aus Pfaffenhofen |
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