Vermisster Berner-Sennen-Hund trug dieses Halsband 675 lange Tage


Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen, heißt es in einem Gedicht. Zwei lange Jahre war die Hündin 'Heli' spurlos verschwunden, und mit ihr dieses Halsband. Jetzt sind Hund und Halsband in der Tierherberge aufgetaucht und die Besitzerfamilie gefunden. Das Protokoll einer (be-)rührenden Geschichte. 

Notiert von Paul Ehrenreich

Wenn ein Hund einen anderen Namen bekommt, ist das in der Regel keine Schlagzeile wert. Schon gar nicht eine Schlagzeile mit Ausrufezeichen am Ende. In diesem Fall ist das anders. Wir haben vor einer Woche über „Klara“ berichtet. Klara ist eine Berner-Sennen-Fundhündin, die in schrecklicher Verfassung vor etwas mehr als einer Woche bei uns in der Tierherberge Pfaffenhofen ankam. Augen und Haut waren stark entzündet, große Teile des Fells hingen in Fetzen oder fehlten gänzlich. Die aktuelle, die gute Nachricht: Klara ist wieder zu Hause – nach zwei Jahren! Und heißt eigentlich "Heli".

Kaum haben wir öffentlich nach dem Besitzer des unbekannten Fundhundes gesucht, den wir in der Tierherberge „Klara“ getauft haben, brach in den sozialen Medien ein Sturm los. Auf Facebook und Co. erreichten uns im Minutentakt Tipps und Hinweise auf die mögliche Herkunft. Nicht gespart wurde leider auch an haltlosen Vorwürfen gegen die Besitzer, die ihren Hund – vermeintlich – malträtiert hätten. Wir haben viel telefoniert, viel recherchiert. 

Jetzt steht fest: alle Spekulationen waren falsch! "Tatsächlich lassen die Entzündungen an der Haut und der generell schlechte Zustand des Fells eher auf Mangelernährung schließen“, sagt unsere Tierärztin Dr. Preyß-Jägeler, die den Hund in unserem Auftrag eingehend untersucht und ihr Blutbild ausgewertet hat. Berner-Sennen-Hunde sind keine Jäger und somit kaum in der Lage, in freier Natur lange zu überleben. Abgesehen davon, dass ein so großer Hund von jemandem hätte gesehen werden müssen.

Preyß-Jägeler weiter: „Möglich, dass er in der Zwischenzeit irgendwo mitgefressen hat. Falls er zwischenzeitlich bei jemand anderem mitgelebt haben sollte, hat diese Person ihn zwar vernachlässigt und sich nicht um ihn gekümmert. Körperlich misshandelt hat sie ihn aber definitiv nicht.

Eine abenteuerliche Geschichte. Happy End inklusive.

Anfangs lediglich klar, dass der Hund in erbärmlichen Zustand war. Zahllose andere Anfragen und Bitten um detaillierte Informationen haben wir in der Tierherberge angenommen und überprüft. Etwa ob "dieser Hund am linken Hinterlauf auch eine verheilte Wunde, so wie unserer?“ Die Identifizierung war bei Klara besonders diffizil, weil sie zahlreiche kahle Stellen und Verletzungen hatte. Offensichtlich war sie bereits längere Zeit unterwegs, entsprechend verwahrlost sah sie damals aus. Auch das schwarze Halsband, das sie trug, deutete auf eine längere „Reise“ hin.

Zu einem frühen Zeitpunkt hatte sich auch eine Familie aus Mittelfranken bei uns gemeldet. Sie vermisste Ihren Berner Sennen "Heli" seit fast zwei Jahren. Wie üblich in solchen Fällen haben wir viele Informationen und Fotos zwischen mit der Familie ausgetauscht und verglichen. Ist es dieser Hund? Ist er es nicht?  

Dagegen sprach, dass der vermisste Hund gechipt war, wir bei unserem Fundhund aber keinen Chip ausgelesen konnten. Das kommt sehr selten vor, aber: es kommt vor.

Andererseits ist das schwarze Halsband jenem Band ähnlich, das die Hündin trug, als sie verschwand. Schließlich die traurige Erkenntnis: Es handelt sich wohl nicht um das vermisste Tier. Wieder eine Sackgasse für die Besitzer-Familie, die seit zwei Jahren viele Berner-Sennen-Hunde besucht hatte – jedes Mal ohne Erfolg.

Die Tour, die zur Tortur wird


Rückblende. Von Anfang an verlief Helis Odyssee unglücklich. Bei einer großen Familienfeier sollte vor zwei Jahren ein Feuerwerk gezündet werden. Die Familie, wissend, dass ihr Hund keinen Spaß an derlei Spektakel hat, schickte Heli vorsorglich ins Haus. Ein Partygast ahnte davon nichts. Er ging davon aus, Heli sei versehentlich in der Wohnung eingesperrt und ließ "den armen Hund" wieder in den Garten. Ausgerechnet zu dieser Zeit begann das Feuerwerk, und das Unheil nahm seinen Lauf: Heli startete in Panik durch  und ward nicht mehr gesehen. Zwei Jahre lang nicht mehr, exakt 675 Tage.

Alles haben wir unternommen, Heli wiederzufinden“, beteuert Silke B., die Mutter. „Wir haben automatische Kameras aufgestellt, Zettel an jedem Zaun und jedem Jägerhochstand befestigt, Hundesuchdienste beauftragt, zahllose aufgefundene Berner-Sennen-Streuner besucht. Natürlich in den Tageszeitungen und sozialen Medien recherchiert. Schließlich sogar Suchhunde losgeschickt.

Vergeblich: Die Hündin ist und bleibt verschwunden. Nach vielen Fehlschlägen setzt sich die Erkenntnis durch, dass Heli vielleicht nie wiederkommen wird. Nach eineinhalb Jahren vergeblichen Suchens fällt eine Entscheidung. Ein neuer Hund kommt ins Haus! Es ist der mittlerweile zweijährige Mogli, ein Berner-Sennen-Rüde.

Als wir dem Hund erfuhren, der in Pfaffenhofen aufgelesen wurde, war ich anfangs wirklich skeptisch“, sagt Mutter Silke. „Nach so vielen Enttäuschungen. Zumal der Hund auf den Fotos in seinem fürchterlichen Zustand wirklich nicht mehr an ‚unsere Heli‘ erinnerte.“ Ihre Kinder waren da erheblich zuversichtlicher: Es muss einfach unsere Heli sein!

Ihr früheres Zuhause liegt in Mittelfranken, Luftlinie rund 100 Kilometer von Pfaffenhofen entfernt. Allerdings wird sie kaum den kürzesten Weg genommen haben, bis sie endlich in einem Waldstück bei Hohenwart gefunden wurde, wenige Kilometer von Pfaffenhofen entfernt. Viele Menschen wundern sich, dass ein Hund so weit gelaufen sein soll. Die Tierheimleiterin Sandra Lob nicht: „Das ist überhaupt keine Entfernung für einen Hund. Schon gar nicht in so langer Zeit.

Wenn einer eine Reise tut


Die Familie macht sich sicherheitshalber nun doch auf den Weg nach Pfaffenhofen, im Gepäck viele Fotos ihrer vermissten Hündin. Noch vor der Anreise fragen unsere Mitarbeiter der Herberge gezielt nach Merkmalen des Hundes, die nur einer wissen kann – der Besitzer. Die persönliche „Familienzusammenführung“ macht endgültig klar: Mensch und Tier kennen und mögen sich. Das ist kein Aufeinandertreffen zweier Parteien, die sich erstmals sehen. Beziehungsweise riechen.

Die vorübergehend unterbrochene Partnerschaft ist so offensichtlich, dass die Vereinsvorsitzende Manuela Braunmüller spontan beschließt: Heli darf noch am selben Tag wieder heimfahren nach Mittelfranken. Sandra Lob ist seit 23 Jahren im Tierschutz aktiv. „Ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern, in dem wir nach so langer Zeit einen Hund seinem Besitzer zurückgeben konnten.

Alle Anwesenden hatten ein Handy dabei. Dennoch ist die Rührung so groß, so aufregend das alles, dass kein einziger daran denkt, dieses ungewöhnliche Ereignis zu dokumentieren.

Als hätte das Schicksal es so gewollt: Zufälligerweise kommt Helis früherer „Lieblingsmensch“, Tochter Chiara, ausgerechnet an jenem Tag von einem längeren Au-pair-Aufenthalt im Ausland zurück, an dem auch Heli wieder zu Hause einzieht.
Gemeinsam geht’s ins neue, alte Heim. Und Mogli darf natürlich  bleiben. Er und Heli beschnuppern sich von Hundenase zu Hundenase, und Mogli beschließt offenkundig schnell, dass der jüngere, größere, stärkere Hund – also er persönlich – ab sofort die Bewachung des gewachsenen Menschen-Tier-Rudels übernehmen wird. Ehrenamtlich, wie sich das gehört.

Was Heli alles erlebt haben mag in diesen zwei Jahren? Sie wird ihr Geheimnis nicht preisgeben. „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Drum nähme ich den Stock und Hut. Und tät das Reisen wählen“, heißt es in einem bekannten Gedicht. Bei allen ungelösten Fragen um den Verbleib von Heli, eines ist sicher: Auf eines liegt sie bestimmt keinen Wert. Ihre Koffer so schnell erneut zu packen.

Tierschutzverein Pfaffenhofenu.U. e.V.  |  An der Weiberrast 2  |  85276 Pfaffenhofen
Telefon: 08441 / 49 02 44  |    www.tierherberge-paf.de

Alle Tierfotos:    © Mirjana B.
Foto Halsband: © Paul Ehrenreich

Autor:

Tierschutzverein Pfaffenhofen und Umgebung e.V. aus Pfaffenhofen

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