Halbzeit bei der Pfaffenhofener Lesebühne

Anatol Regnier eröffnete am Freitagabend die Pfaffenhofener Lesebühne 2024. | Foto: Stadtverwaltung Pfaffenhofen a. d. Ilm
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Mit drei sehr unterschiedlichen Lesungen ist am vergangenen Wochenende die elfte Pfaffenhofener Lesebühne gestartet. Das Publikum wurde von Anatol Regnier, der flämischen Autorin Gaea Schoeters und der Debütautorin Martina Bogdahn von München und dem Starnberger See über Mittelfranken bis nach Afrika entführt.

Zum Auftakt der Lesebühne 2024 hatte am Freitagabend Anatol Regnier sein neues Buch „Erinnerungen eines Taugenichts“ über sein Aufwachsen in der lebendigen Künstlerszene Schwabings und am Starnberger See vorgestellt. Im Gespräch mit der Münchner Journalistin und Autorin Kerstin Holzer ließ er das Publikum an teils lustigen, teils nachdenklichen Anekdoten aus seiner Kindheit und den Bekanntschaften mit E. Kästner, Familie Mann, G. Gründgens und anderen teilhaben und trug außerdem Lieder von seinem Großvater Frank Wedekind vor.

Während Regniers Familie den Sommer auf dem Land verbrachte, wohnte man im Winter in der Münchner Innenstadt, gleich an der Münchner Freiheit. Er ging auf seine Eltern Pamela Wedekind und Charles Regnier ein, die aufgrund ihres Künstlerdaseins oft unterwegs und sehr unterschiedliche Charaktere waren. Seinen Vater begleitete Anatol Regnier oft ins Theater oder zu den Münchner Kammerspielen. Mit 16 Jahren ging Regnier nach London, um am Royal College of Music Gitarre zu studieren.

Während der Lesung berichtete er zudem von einem kollektiven schlechten Gewissen, das damals nach dem Zweiten Weltkrieg über der Gesellschaft hing, das auch sie als Kinder schon gespürt hatten: „Es lag wie eine nasse Decke über der Gesellschaft“.

Nach langen Reisen u. a. nach London, Israel und Australien lebt Anatol Regnier jetzt wieder am Starnberger See in Ambach.

Auf Großwildjagd in Afrika

Am Samstagabend gestalteten drei beeindruckende Frauen einen besonderen Abend auf der Lesebühne. Die flämische Autorin Gaea Schoeters war mit „Trophäe“ zu Gast in Pfaffenhofen. Laura Maire las aus dem preisgekrönten Roman vor, und Dorle Kopetzky moderierte durch den Abend.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer konnten die Welt der Großwildjagd durch die Augen des Jägers Hunter White erleben, der nun endlich auch noch das letzte Tier der „Big Five“, das mächtige Nashorn, erlegen will und dafür viel Geld ausgegeben hat. Ein spannender, nahegehender und kluger Roman, in den das Publikum dank der großartigen Sprecherin Laura Maire im Nu hineingezogen wurde. Die vorgelesenen Jagd-Szenen waren aufwühlend, und das Publikum lauschte gebannt. Im Gespräch mit Dorle Kopetzky schilderte Gaea Schoeters in perfektem Deutsch die Hintergründe ihres Romans, der gerade in zahlreiche Sprachen übersetzt wird. Noch nie in Afrika gewesen, habe sie durch Fotos von Großwildjägern inmitten ihrer Trophäen sowie den Berichten über sehr teure Jagdlizenzen für geschützte Arten die Geschichte binnen Sekunden im Kopf gehabt. Einen weißen Jäger mit kolonialem Blick, der Afrika für seinen Vergnügungspark hält und dann eine Reise ins Herz der Finsternis erlebt, habe sie erzählen wollen. Dass ihr das meisterlich gelungen ist, davon konnte sich das Publikum am Abend überzeugen.

Von der Jugend auf dem Land und der Flucht in die Stadt

Am Sonntagabend war Martina Bogdahn mit ihrem Überraschungsbestseller „Mühlensommer“ zu Gast auf der Lesebühne. Mit ihrer spontanen und herzlichen Art gewann Bogdahn das Publikum im gut gefüllten Festsaal sofort für sich. Nicht nur erzählte sie zwischen den Lesestellen immer wieder vom Werden des Romans, vom neuen Leben als Bestsellerautorin, von ihrer Kindheit auf einem fränkischen Einödhof – denn ebenso wie ihre Heldin Maria ist Bogdahn auf dem Land groß geworden, u. a. mit Schweinen, Kühen und einem bissigen Hofhund – sie aktivierte auch das Publikum zum Mitmachen. Für eine besonders komische Szene holte sie einen „Hansi“ auf die Bühne, der den Jugendfreund Marias im knappsten denkbaren Dialog („Und?“ Ja, und dir?“ „Passt“) darstellen musste und dafür viel Applaus erhielt. Später durfte der ganze Saal mitmachen und an passender Stelle das „Obacht“ der Großmutter rufen, die bei der großartig beschriebenen Hopfenernte-Szene die komplett eingespannte Familie von Maria damit vor dem Anwerfen der gefährlichen Hopfenzupfmaschine warnt.

Bogdahn, die eigentlich als Fotografin in München arbeitet, erzählte vom Verschwinden der kleineren Bauernhöfe, vom Brombachtal, in dem ihr Elternhaus, die Mäusleinsmühle steht, die das Vorbild für die Mühle im Roman ist und von der Rückkehr dorthin. Anstatt Viehhaltung backt man dort heute Brot wie vor 500 Jahren, und Martina Bogdahn hilft dort regelmäßig mit: „Ich bin eben doch eine Müllerstochter“. Bevor der Büchertisch der Buchhandlung Osiander gestürmt wurde, griff Martina Bogdahn zur Gitarre und sang den Song „Where is my mind?“ von den Pixies, dessen erste Zeile dem Roman vorangestellt ist.

Programm für das zweite Wochenende

Am kommenden Wochenende können sich die Pfaffenhofenerinnen und Pfaffenhofener auf weitere vier Veranstaltungen freuen. Los geht es am Donnerstag, 31. Oktober mit einer Buchpremiere der besonderen Art. Der Sammelband „Der Zwischenfall – Texte aus dem Pfaffenhofener Flaschlturm“ wird vorgestellt. Die Abschlusstexte der zehn ersten Lutz-Stipendiatinnen und -Stipendiaten, einige von ihnen mittlerweile preisgekrönt, beschäftigen sich alle mit der Stadt Pfaffenhofen und verarbeiten die Zeit des Aufenthalts im Pfaffenhofener Flaschlturm. Steffen Kopetzky, Jury-Vorsitzender führt durch den Abend, die Schauspielerin Eva Bauriedl liest die Texte, für die Musik sorgt Hart Heffner Feiten.

Volker Kutscher bringt am Freitagabend seinen sehnsüchtig erwarteten und sogleich gefürchteten letzten Teil der Gereon-Rath-Krimireihe mit nach Pfaffenhofen. Im Gespräch mit Steffen Kopetzky wird es um das Jahr 1938 in Berlin, die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche und um das Finale der Vorlage für die Serie „Babylon Berlin“ gehen. Bei Schimpfexperte Rolf-Bernhard Essig geht es am Samstag ums Fluchen, um Hatespeech, um echt bairische Schimpfwörter und ihre Herkunft. Zum Abschluss der Lesebühne stellt Leo Reisinger (samt E-Piano) seinen Roman „Bavarese“ vor. Großmarkt, Wiesnwirte, Schickeria – „Bavarese“ ist ein moderner Monaco Franze und das großartige Debüt des Schauspielers, Musikers und Ex-Wiesn-Kellners steht bereits auf der Spiegel-Bestseller-Liste.

Alle Informationen zur Lesebühne sind unter pfaffenhofen.de/lesebuehne zu finden. Die Veranstaltungsreihe wird von der Buchhandlung Osiander gefördert.

Tickets

Tickets gibt es im Kultur- und Tourismusbüro, Hauptplatz 47 in Pfaffenhofen, Montag bis Freitag von 13.30 bis 17 Uhr sowie Dienstag und Freitag von 9 bis 12 Uhr, in der Buchhandlung Osiander oder online auf okticket.de unter „Pfaffenhofener Lesebühne“. Der Eintritt kostet im VVK 12 Euro (erm. 10 Euro) und an der Abendkasse 14 Euro (erm. 12 Euro). Die Veranstaltungen finden im Festsaal des Rathauses statt und beginnen jeweils um 20 Uhr, Einlass ist ab 19.15 Uhr.

Autor:

Kulturamt Pfaffenhofen aus Pfaffenhofen

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