„Einfach da sein“: Henriette Wanninger im Interview
Dr. Henriette Wanninger ist seit 1999 Mitglied im Hospizverein Pfaffenhofen. Die Ärztin war zunächst ehrenamtlich in der Einsatzleitung tätig und fungiert seit sechs Jahren als hauptamtliche Koordinatorin. Im Interview mit PAF und DU steht sie auf sehr persönliche Art Rede und Antwort.
Frau Dr. Wanninger, was macht für Sie die Hospizbegleitung aus?
Das Wesen der Hospizbegleitung lässt sich in drei Worten fassen: Einfach da sein. Und das zuverlässig, auch wenn es schwierig wird. Ein wesentlicher Aspekt ist das Trösten, und das hat viel mit Vertrauen zu tun. Man denke nur an die Wortverwandtschaft zum englischen „to trust“. Unsere Arbeit hat nichts mit Aktionismus zu tun und bedeutet auch nicht das ständige Beschäftigen mit dem Tod. Im Gegenteil. Meist wollen die begleiteten Menschen und ihre Angehörigen einfach ein Stück Normalität, ein Stück Alltag wiederhaben. Das heißt, wir lachen auch oft gemeinsam über einen Scherz.
Gibt es eine Leitlinie für das richtige Vorgehen in der Betreuung eines Sterbenden?
Wesentlich ist, dass der begleitete Mensch immer den Weg vorgibt, den es zu gehen gilt. Er bleibt selbstbestimmt. Wir gehen nicht voran, sondern neben ihm. Um es mal in einem Bild zu fassen: Wenn ein Stein den Weg versperrt, dann entscheidet der Betroffene, ob er ihn umgehen will oder drüber springen. Oder ob er davor stehen bleibt. Vor Beginn einer Begleitung werden die Rahmenbedingungen immer abgesteckt, in einer Art gegenseitigem Vertrag. Das ist eine sehr sensible Geschichte. Wenn man spürt, dass die Wellenlänge nicht passt, dass man sich nicht wirklich nahe kommt, dann ist es manchmal besser, die Begleitung jemand anderem zu übertragen.
Welchen zeitlichen Aufwand muss man als Hospizhelfer einkalkulieren?
Das ist individuell ganz verschieden. Jeder bringt so viel ein, wie er kann und möchte. Allerdings muss der Helfer das vorher definieren, damit ein sinnvolles Planen möglich ist. Manche können nur am Wochenende, andere mehrere Stunden am Tag. Das gilt es dann mit dem Bedarf der Begleiteten zu koordinieren. Insgesamt kann eine Begleitung sich über ein Jahr und länger erstrecken. Manchmal dauert sie aber auch nur einen Tag.
Welche Eigenschaften sollte ein Hospizbegleiter mitbringen?
Ich glaube, eine klare Einstellung zur eigenen Endlichkeit ist wichtig. Hinzu kommen Offenheit und Neugier auf menschliche Begegnungen. Und natürlich die Fähigkeit, sich in andere einfühlen zu können. Eigentlich Dinge, die jeder Mensch kann. Da muss man kein besonderes Aufhebens drum machen.
Und was bringt sein Tun dem Hospizhelfer?
Das sieht sicher jeder Ehrenamtliche unterschiedlich. Für mich ist jede Begegnung ein Lernen, über den anderen und mich selbst. Man entwickelt sich einfach weiter. Zudem ist es ein gutes Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.
Haben Sie einen Wunsch, was Ihre Arbeit im Hospizverein angeht?
Eindeutig ja. Ich würde mir wünschen, dass wir viel früher in die Begleitung schwer kranker Menschen involviert werden. Oft ruft man uns erst wenige Stunden vor deren Tod. Dann können wir nicht mehr wirklich viel tun. Unsere Rolle beschränkt sich in solchen Fällen auf eine Art Krisenintervention. Sinnvoll helfen gelingt nur, wenn wir Zeit haben, eine Beziehung aufzubauen. Vertrauen und Nähe kommen nicht auf Knopfdruck zustande. Beide müssen wachsen. Daher mein Appell an Betroffene: Wenden Sie sich rechtzeitig an uns.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.