Lesetipps der Stadtbücherei
Stefan Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex
Mitte 1972 werden Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin, die Köpfe der von ihnen Rote Armee Fraktion bezeichneten Terrorgruppe festgenommen. Vorausgegangen waren unter anderem Banküberfälle, Sprengstoffanschläge, Körperverletzung und Gefangenenbefreiung. Die Festnahme bedeutete jedoch nicht das Ende einer zweijährigen Serie von Bandenkriminalität, denn nun übernimmt die zweite Generation der Baader-Meinhof-Gruppe die Führung. Ursprünglich als lose Verbindung einiger Linksextremen gegründet, um mit noch relativ harmlosen Aktionen auf die ihrer Ansicht vorhandene Verlogenheit in der deutschen Gesellschaft und Politik aufmerksam zu machen, nimmt die Gewalttätigkeit im Laufe der Jahre an Intensität immer mehr zu. Diese angeprangerten Mißstände können damals viele Deutsche nachvollziehen, so 1968 die skandalösen Begleitumstände beim Deutschlandbesuch des persischen Despoten Reza Pahlavi oder die Haltung der deutschen Regierung zum Vietnamkrieg. Das Verständnis vieler Deutscher zeigt sich daran, dass immer wieder Bürger den Terroristen Unterschlupf gewähren. Als Polizisten, Wirtschaftsführer, Politiker ermordet werden wenden sich allerdings die meisten Sympathisanten ab, alles geschieht als Folge einer Entwicklung, die bis Ende 1977 die deutsche Öffentlichkeit in Atem hält. Die Selbstmorde der Inhaftierten nach gescheiterter Flugzeugentführung in Mogadischu ist wochenlang Medienthema.
Das Buch ist als Dokumentation angelegt, es verurteilt nicht, klagt nicht an oder verteidigt weder den Terror noch die Politik der damaligen Zeit. Ich finde es absolut lesenswert, allein die Schilderungen im Zusammenhang mit den unglaublichen Szenen bei den Gerichtsverhandlungen in Stammheim machen den/die Leserin sprachlos.
Der Autor ist Journalist und Verfasser mehrerer Bücher mit zeitgeschichtlichem Inhalt.
Manfred Wittmann (ehrenamtlicher Rezensent)
Maja von Vogel: Plötzlich wach!
Mit der Queen ne Kutsche kapern
Die Figuren eines magischen Wachsfigurenkabinetts erwachen zum Leben. „Wunderlichs Wachsfigurenkabinett“ ist seit Jahrhunderten im Eigentum von Annemies Familie. Seit sie denken kann, wird es von ihrer Oma Fritz geleitet, die die Figuren eigenhändig herstellt und restauriert. Als eines Morgens der Thron von Queen Elizabeth plötzlich leer ist, beginnt für Annemie und ihren neuen Freund Leo ein turbulentes Abenteuer. Die Königin von England ist nämlich ausgebüxt und mittlerweile in der Stadt unterwegs. Niemand darf vom magischen Geheimnis des Wachsfigurenmuseums erfahren, von dem auch Annemie bis heute keinen blassen Schimmer hatte: Die Figuren haben ein Eigenleben! Schnell kommen die beiden Kinder der Flüchtigen auf die Spur. Die Queen selbst jedoch denkt gar nicht daran, sich diesen schönen Ausflugstag so schnell verderben zu lassen und bringt die Stadt mit ihrer Anwesenheit in hellste Aufruhr. Und Annemie setzt natürlich alles daran, Genaueres über die ungeahnten Fähigkeiten ihrer Großmutter zu erfahren.
Überaus amüsanter Start in eine neue Kinderbuchreihe, bei der Maja von Vogel prominente Persönlichkeiten eines Wachsfigurenmuseums zum Leben erweckt. Der flotte Schreibstil sorgt in Kombination mit einem Feuerwerk an Situationskomik für ein äußerst kurzweiliges Leseerlebnis. Gelungener Mix aus magischer Geschichte und augenzwinkernder Wissensvermittlung zu den Figuren. Sehr gelungen auch das Buchcover mit Fensterausschnitt. Teil 2 („Mit Dracula im Dunkeln munkeln“) ist bereits erschienen. Große Empfehlung!
Elisabeth Brendel, Stadtbücherei
Jenny Lecoat: Die Übersetzerin
Die Jüdin Hedy flieht aus Wien nach Jersey in der Hoffnung, dort nicht von den Nazis verfolgt zu werden. Doch das Kriegsgeschehen macht auch vor den Kanalinseln nicht Halt und so versucht sie, sich dort mit Hilfe eines Freundes zu verstecken. Um nicht zu verhungern, ergreift sie als letzte sich bietende Möglichkeit die Flucht nach vorne und bewirbt sich auf die Stelle einer Übersetzerin bei der deutschen Besatzung. Mangels Alternativen wird sie tatsächlich eingestellt und es geht geraume Zeit gut, wenn auch die psychische Belastung unerträglich wird. In dieser Zeit trifft sie auf einen Offizier, der von dem ganzen Kriegsgeschehen abgestoßen ist, aber natürlich nichts daran ändern kann. Auch ihm verschweigt sie ihre jüdische Geschichte und erst nach langer Zeit begreift er, dass es nicht anders sein kann. Er hilft und warnt so lange, bis er selbst in Schwierigkeiten gerät. Was soll aus dieser aussichtslosen Liebe werden?
Christl Furtner (ehrenamtliche Rezensentin)
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